27 Jun 2024

Political Monitor Q2 2024

 

Liebe APSCo Deutschland Mitglieder, 

politisch spannende Wochen liegen hinter uns. Die Europawahlen 2024 haben für einen Rechtsruck im EU-Parlament gesorgt und die politische Macht der zwei stärksten, europäischen Wirtschaftsländer - Deutschland und Frankreich - geschwächt. Dennoch lässt sich aus den Wahlergebnissen eine weiterhin pro-europäische Mehrheit erkennen. Eine Analyse der Europawahlergebnisse und deren Bedeutung für Unternehmen könnt Ihr in unserem vorliegenden Political Monitor nachlesen, der Euch wie immer mit den relevantesten, arbeitsmarktpolitischen Neuigkeiten, mit Fokus auf Deutschland, informiert.  

In Deutschland hat das Thema der Arbeitskräfte- und Fachkräftesicherung an Fahrt gewonnen und wird vielseitig in Angriff genommen. Eine besonders spannende Entwicklung zeigt das kürzlich verabschiedete Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz, welches es zukünftig Menschen ohne Berufsabschluss ermöglicht, ihre Eignung und berufliche Handlungsfähigkeit formal bescheinigen zu lassen. Weitere Themen umfassen das Lieferkettengesetz, die Plattformarbeit, das Thema der Scheinselbständigkeit und das neue „AI Office“ der EU. 

Wir möchten Euch zudem auf die Aktionswoche des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) hinweisen, welche vom 16. bis 29. September 2024 stattfindet. Das Thema ist „Menschen in Arbeit – Fachkräfte in den Regionen“. Mit der Aktionswoche bietet das BMAS Unternehmen und anderen Institutionen die Möglichkeit, sich selbst aktiv am Programm durch eigene Programmvorschläge und deren Umsetzung zu beteiligen und so das eigene Engagement für die Fachkräftesicherung sichtbar zu machen. Mit gelungener Teilnahme könnte so ein sehr guter Draht zum BMAS als Ansprechpartner für diverse Fragen aus der Praxis zum Thema Fachkräfte entstehen. Weitere Informationen könnt Ihr hier finden. Zur Anmeldung gelangt Ihr hier.  

Nun wünsche ich euch nun eine informative Lektüre! 

 

Euer  

Thomas André Sola 

 


Extra: Die Europawahl 2024 


Europawahlergebnisse 2024 in der Analyse  

Wie weitgehend erwartet hat sich das Europäische Parlament nach rechts verschoben, wobei die Populisten und die extremen Rechten in ganz Europa große Gewinne verbuchen konnten und bis zu 25% der Sitze erlangten. Besonders deutlich wurde dies in Frankreich, wo die Autorität von Präsident Macron durch den weitreichenden Erfolg der extremen Rechten, die mehr als 30% der Stimmen erhielten, erheblich geschwächt wurde. Dies veranlasste Macron dazu, das französische Parlament aufzulösen und vorgezogene Wahlen für den 30. Juni und 7. Juli anzusetzen.

In Deutschland hat die rechte AfD die SPD von Bundeskanzler Scholz auf den dritten Platz verwiesen und führt in allen Teilen Ostdeutschlands. Die drei Regierungsparteien der Koalition (Sozialdemokraten, Liberale, Grüne) erhielten nur 30% der Stimmen. CDU/CSU behalten ihre Spitzenposition und sind gut aufgestellt, die Bundestagswahl 2025 zu gewinnen. Sowohl der französische Präsident Macron als auch der deutsche Kanzler Scholz gehen aus den Europawahlen geschwächt heraus und haben nun weniger Einfluss auf die Verteilung der EU-Spitzenpositionen. 

Im Europäischen Parlament bleibt die Mitte-Rechts-Partei EVP weiterhin die größte politische Gruppe, wie in den vergangenen 25 Jahren, und sollte in der Lage sein, eine stabile pro-europäische Mehrheit mit den Sozialisten und Liberalen zu bilden, um eine zweite Amtszeit für die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu gewährleisten. Allerdings wird diese Mehrheit im Vergleich zu 2019 kleiner und schwächer sein, was es zunehmend schwieriger macht, Gesetze zu verabschieden.  

Die Verschiebung nach rechts sollte die wirtschaftsfreundliche Agenda stärken, die von den EU-Staats- und Regierungschefs vorangetrieben wird, mit einem Fokus auf der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas, der Rückführung von Fertigung nach Europa und der Förderung eines innovations- und unternehmensfreundlichen Umfelds.  

 


Aktuelles aus Deutschland 


Zusammenarbeit mit Kanada und Finnland gestärkt 

Am 13. Mai 2024 empfing Staatssekretärin Leonie Gebers den kanadischen stellvertretenden Arbeitsminister Paul Thompson zu Gesprächen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Der Austausch konzentrierte sich auf die Themen Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

Zudem traf sich in der Woche vom 27.-31. Mai eine Delegation des Ausschusses für Arbeit und Soziales mit Unternehmen, Parlamentsvertretern, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften in Helsinki (Finnland). Im Mittelpunkt standen Fragen zur Weiterbildung sowie zur Erhaltung und Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit, um neue Erkenntnisse für die Diskussionen des Ausschusses zu gewinnen. Die Delegation bestand aus Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Grüne), Annika Klose (SPD), Peter Aumer (CDU/CSU) und Jens Teutrine (FDP). 

 

Arbeits- und Fachkräftekongress der Grünen Bundestagsfraktion 

Am 18. Juni fand unter dem Titel „Land der Chancen“ ein Arbeits- und Fachkräftekongress der Grünen Bundestagsfraktion statt. In 13 Ideenlaboren wurde über arbeitsmarktpolitische Herausforderungen gesprochen – von Ausbildung über Fachkräftegewinnung und -einwanderung bis zum Einsatz von KI und der Rolle des Bürgergelds. Hinzu kamen verschiedene Panel und Keynotes, bei denen sich mit Außenministerin Annalena Baerbock, Familienministerin Lisa Paus und Wirtschaftsminister Robert Habeck drei Vertreter der Bundesregierung beteiligten. In einer Diskussionsrunde zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte sprach der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, das Verbot der Rekrutierung durch Zeitarbeitsunternehmen an und forderte eine Aufhebung. Weitere Informationen zum Kongress finden Sie hier

 

Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz beschlossen 

Der Deutsche Bundestag hat mit großer Mehrheit das sogenannte Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetzes (BVaDiG) am 14. Juni verabschiedet. Die Koalitionsfraktionen als auch die Unionsfraktion haben für das Gesetz gestimmt, wohingegen die AfD dagegen votierte. Die Gruppe Die Linke enthielt sich. 

Das Gesetz zielt darauf ab, die berufliche Bildung zu digitalisieren und zu entbürokratisieren. Es soll auch ermöglichen, dass Personen ohne formalen Abschluss ihre Fähigkeiten und beruflichen Erfahrungen anerkennen lassen können

Laut Bundesregierung verfolgt das Gesetz zwei Hauptziele: Zum einen soll es die berufliche Handlungsfähigkeit, die unabhängig von einem formalen Abschluss erworben wurde, feststellen und bescheinigen. Diese soll im System der beruflichen Bildung anschlussfähig gemacht werden. Zum anderen sollen medienbruchfreie digitale Verwaltungsprozesse konsequent ermöglicht werden. Das BVaDiG ist Teil der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung. 

Ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen legt eine Altersuntergrenze von 25 Jahren für das Berufsvalidierungsverfahren fest, um sicherzustellen, dass die Berufsausbildung der primäre Qualifizierungsweg bleibt und Berufseinsteiger nicht allein durch Berufspraxis qualifiziert werden. Zudem wird durch den Änderungsantrag die gemeinsame Festlegung von Feststellungsinstrumenten durch die zuständigen Stellen eines Berufs verpflichtend vorgeschrieben. Dies soll einheitliche Standards sichern und unnötige Bürokratie vermeiden. 

APSCo wird Euch über die Umsetzung des Gesetzes in Deutschland auf dem Laufenden halten. 

 

Union für Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes 

Die CDU/CSU-Fraktion fordert die Abschaffung des Lieferkettengesetzes, das seit Januar 2023 für deutsche Unternehmen gilt, und hat deshalb einen entsprechenden Gesetzentwurf für ein Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz formuliert. Das aktuelle Gesetz verpflichtet seit Januar 2024 alle Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern dazu, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten. Die Union sieht in den aktuellen internationalen Krisen und Kriegen eine enorme Belastung für die globalen Lieferketten. Die zusätzlichen Berichtspflichten des Lieferkettengesetzes seien für viele Unternehmen einfach zu viel. Und jetzt kommt auch noch die im April 2024 verabschiedete Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ins Spiel, die noch strengere Anforderungen stellt als die deutschen Regelungen. Die CDU/CSU schreibt, es sei nicht sinnvoll von den Unternehmen zu verlangen, sowohl die nationalen als auch die EU-Vorschriften zu erfüllen. Stattdessen schlägt sie vor, dass das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung die Unternehmen auf die Umsetzung der EU-Richtlinie vorbereiten sollten. Vor allem mittelständische Unternehmen, die indirekt von den rechtlichen Vorgaben betroffen sind, könnten durch gezielte Beratungsangebote unterstützt werden. 

Der Gesetzentwurf der Union zur Aufhebung des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten hat bei einer Abstimmung in der ersten Lesung im Bundestag am 14. Juni keine Mehrheit gefunden. Der Antrag wurde für die weitere Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie zur Mitberatung an sechs weitere Ausschüsse überwiesen.  

APSCo wird Euch über relevante Neuigkeiten informieren. 

 

Diskussion zur Plattformarbeit jetzt auf Landesebene 

Der Landtagsabgeordnete des Stadtstaats Berlin, Christoph Wapler (Grüne), reichte im April eine schriftliche Anfrage zum Thema „Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit“ beim Abgeordnetenhaus Berlin ein, auf welche die Senatskanzlei schriftlich geantwortet hat (Link zum Dokument). Darin wird die Plattformarbeit als die Nutzung digitaler Geschäftsmodelle definiert, die virtuelle Handelsplätze bereitstellen, auf denen Anbieter und Interessenten von Waren und Dienstleistungen interagieren können. Besonders im Fokus stehen dabei digitale Arbeitsplattformen, über die Organisationen oder Einzelpersonen in direkten Kontakt treten, sei es zur Lösung spezifischer Probleme oder zur Erbringung von Dienstleistungen gegen Bezahlung. 

Mit Blick auf die Nutzung innerhalb der Stadtverwaltung zeigt, dass die landeseigenen Unternehmen wie die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die Berliner Wasserbetriebe (BWB) Plattformarbeit für verschiedene Zwecke einsetzen, darunter auch Coaching-Dienstleistungen. Dies verdeutlicht die Vielseitigkeit und den wachsenden Einfluss digitaler Plattformen auf die Unternehmenspraxis in Berlin. Mit steigendem Interesse an diesem Thema ist zu erwarten, dass zukünftige Anfragen ähnliche, aber auch unterschiedliche Definitionen und Anwendungsfälle von Plattformarbeit erforschen werden.  

APSCo hat sich stets für eine klare Definition von digitalen Plattformen ausgesprochen. Nun rächt sich, dass dies auf europäischer Ebene nicht erfolgt ist. Wir werden das Thema auch auf nationaler Ebene für Euch weiter aktiv verfolgen. 

 

Neuigkeiten zur Debatte der Scheinselbständigkeit in Deutschland  

Die Entscheidung des Bundesozialgerichts von 2022 über eine Musikschule in Herrenberg markiert eine deutliche Wende in der Rechtsprechung bezüglich der Selbstständigkeit von Musiklehrern, denn während es 2018 in einem ähnlichen Fall noch eine positive Entscheidung gab, wurde mit dem Urteil im Jahr 2022 einem Musiklehrer die Selbstständigkeit verweigert. Dies führte dazu, dass die Beschäftigung von Musikschullehrkräften auf Honorarbasis rechtswidrig ist. Damit steigt der Druck alle Honorarkräfte in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung zu bringen. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für Musikschulen und Volkshochschulen, die nun zögern, mit freiberuflichen Lehrkräften zusammenzuarbeiten.

Finanzielle Einschränkungen machen es zudem schwierig, neue Lehrkräfte fest anzustellen. Da Musikschulen und Volkshochschulen häufig von den Kommunen finanziert werden und klare Kostenbegrenzungen bestehen, beeinflusst die Gerichtsentscheidung des Bundesozialgerichts nun direkt die öffentliche Verwaltung. Diese Situation spitzt sich zu und wirft Fragen auf hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen auf die Bildungslandschaft, insbesondere im Hinblick auf die Verfügbarkeit und Qualität von Bildungsangeboten in Deutschland. Inzwischen befasst sich das BMAS mit dieser Thematik. 

Es zeigt sich, dass es immer mehr Berufsgruppen erschwert wird in Deutschland selbständig zu sein. Wir werden Euch über neue Entwicklungen informieren. 

 


Aus der EU 


Neues „AI Office“ der EU 

Die Europäische Kommission hat eine neue Regulierungsbehörde ins Leben gerufen: das Europäische Amt für Künstliche Intelligenz („AI Office“). Dieses Amt wird die 27 Mitgliedstaaten bei der Durchsetzung von Gesetzen und bei gemeinsamen Ermittlungen unterstützen. Es fungiert zudem als Sekretariat des KI-Rates, dem Forum zur Koordination der nationalen Regulierungsbehörden. Das AI Office übernimmt die Aufgaben des bisherigen Direktorats A der EU-Kommission für Künstliche Intelligenz und Digitale Industrie. Es wird künftig fünf Referate umfassen und insgesamt 140 Mitarbeiter beschäftigen, darunter 80 neue Stellen. Lucilla Sioli, die bereits zuvor als Direktorin tätig war, wird die Leitung übernehmen. Darüber hinaus werden zwei zusätzliche Beraterposten für internationale Angelegenheiten und wissenschaftliche Beratung geschaffen. 

Die Behörde ist in fünf Referate organisiert: 

  1. Exzellenz in KI und Robotik 

  1. KI-Regulierung und Umsetzung 

  1. KI-Sicherheit 

  1. Innovation und Politikkoordination 

  1. Vorteile von KI für die Gesellschaft 

Das Parlament kritisiert die mangelnde Transparenz und die fehlenden Antworten auf Anfragen zur Besetzung der Leitungsposten. Experten bemängeln zudem, dass keine externen KI-Fachleute in Führungspositionen berufen wurden. 

APSCo wird für Euch die Thematik der Künstlichen Intelligenz und deren Auswirkungen auf den Personalbereich weiter im Blick behalten.